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Letzte Aktualisierung am 13.02.2025
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Geschichte / Kino
Otto Peters (1882 - 1955)
Ein Kinopionier der Nachkriegsjahre des 1.Weltkrieges in Neukirchen und Jahnsdorf
Der Malermeister und Eigentümer eines familiengeführten Malerhandwerksbetriebes Otto Peters in Jahnsdorf war der sich neu entwickelnden Kino- und Fototechnik am Anfang des 20.Jahrhunderts sehr aufgeschlossen. Er war in der Region einer der Ersten, welcher sich mit der neu entwickelten Stereofotografie (3 D) etwa ab 1910 befasste.
Nach dem Ende des 1.Weltkrieges, den er als Sanitätssoldat überlebte, begann er mit dem Aufbau eines Kinos im Gasthof "Grüne Aue" in Jahnsdorf, indem er 1923 an die

Foto von Otto Peters, undatiert
Stirnseite des Tanzsaales einen Vorführraum anbauen ließ. Desweiteren wurde in Neukirchen an der Chemnitzer Str. 6 im Hinterhof das bereits bestehende Kinogebäude, welches im Besitz der Familie Püschmann war, gemietet. Die Bestuhlung sowie die Kinotechnik finanzierte Otto Peters. Tagsüber Malerbetrieb und am Abend Kinovorstellungen in beiden Orten. Beide Söhne, Richard und Max, arbeiteten als Malergesellen im väterlichen Betrieb und qualifizierten sich als Filmvorführer.
In den Anfangsjahren der Kinematographie wurden Stummfilme gezeigt, welche Otto Peters als Erklärer kommentierte. Durch Synchronisationsfehler seinerseits führte das bei den Kinobesuchern manchmal zu viel Heiterkeit. Alle fünf Kinder lernte Musikinstrumente und begleiteten mit dem Familien-Kinoorchester die Stummfilmvorführungen.
Anfang der Dreißiger Jahre des 20.Jahrhunderts eroberte der Tonfilm die Kinos. Der Besucherandrang war riesig, leider standen nur 200 Sitzplätze zur Verfügung. Aber die Besucher nahmen auch die Strapazen eines Stehplatzes für die Dauer einer Vorführung von zwei Stunden in Kauf.

Handzettel-Kinowerbung, Bild 1
1936 erwarb Otto Peters das Manufakturgebäude Bachgasse 3 in Neukirchen, welches im Besitz der Familie Hecht war, und baute es als Wohnhaus für neun Wohneinheiten aus.
1940 kaufte er ein angrenzendes Wiesengrundstück von 1.000 m² vom Bauer Müller. Es war geplant, dort ein Kino zu errichten. Leider hatte bereits der 2.Weltkrieg begonnen, und die Pläne konnten nicht mehr realisiert werden.
Da beide Söhne zur Wehrmacht eingezogen waren, mussten die Ehefrauen bzw. die Töchter den Kinobetrieb weiterführen.
In den schweren Kriegsjahren waren UFA-Revuefilme die einzige Möglichkeit, sich vom Alltag abzulenken. Leider wurde das Medium Film besonders von der NS-Propaganda genutzt, z.B. mit Hetz- und Durchhaltefilmen wie "Jud Süß", "Ohm Krüger", "Das Wunschkonzert", "U-Boote westwärts", "Kolberg" u.s.w.
1943 erschienen die ersten UFA-Farbfilme, z.B. "Frau meiner Träume" mit Marika Röck und "Wir machen Musik" mit Ilse Werner.
Neukirchen war 1945 von größeren Kriegsschäden verschont geblieben. Im Mai 1945 zog die Rote Armee mit Pferd und Wagen in Neukirchen ein. Die Kommandantur wurde in der Türk Villa (Zahnarzt Mende) und Stern Villa eingerichtet. Für die russischen Soldaten musste das Kino schon am Vormittag und den ganzen Tag über den Farbfilm "Frau meiner Träume" spielen.
Die ersten Filme, die wir von der sowjetischen Besatzungsmacht gezeigt bekamen, waren die Dokumentarfilme über die KZ Auschwitz und Majdanek, sowie vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal. Was wir dort sahen, versetzte uns in einen Schockzustand!
Die ersten russischen Spielfilme waren vorwiegend Märchenfilme, wie "Die steinerne Blume", "Das Zauberkorn" u.s.w.
1948 wurde von der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands (SMAD) ein Gesetz zur Enteignung von Kriegsverbrechern erlassen. Darunter zählte auch der Kinobesitzer. Herr Otto Peters erhielt noch vor der Währungsreform 1948 für die Kinotechnik und Bestuhlung 5.000,- Reichsmark. Im Herbst 1948 nach dem Umtausch der Währungsreform waren das dann gerade noch 500,- Mark. Das war das Ende eines Unternehmers. Otto Peters verstarb 1955.
Mit der Gründung der DDR 1949 wurden alle Kinos in VEB umgewandelt.

Handzettel-Kinowerbung, Bild 2
Nach 1945 war ein abendlicher Kinobesuch durch tägliche Stromabschaltungen bei Einbruch der Dunkelheit bis 22 Uhr sehr eingeschränkt. Die Firma Steudten war in der glücklichen Lage, Strom selbst zu erzeugen. Zwischen Peters Lichtspiele und der Firma Steudten wurde ein Notstromkabel installiert, mit dem bei Stromsperre der Spielbetrieb weitergeführt werden konnte.
In den Siebziger Jahren wurde die Bestuhlung herausgerissen und ein sogenanntes gastronomisches Erlebniskino mit Tischen, Stühlen und Tischlampen geschaffen. Getränke und Speisen wurden im gegenüberliegenden Konsum-Kaffee (ehemals Kaffee Pietschmann) eingekauft.

Handzettel-Kinowerbung, Bild 3
Nachdem meine Mutter, Frau Luise Peters, ab 1940 den Beruf der Filmvorführerin ausübte, war für mich als Kind das Kino mein zweites Zuhause geworden. Alle Filme habe ich gesehen, ein Stammplatz in der vordersten Reihe, Platz Nr. 187, war für mich reserviert. Filme, die als nicht jugendfrei deklariert waren, habe ich durch das kleine Sichtfenster im Vorführraum gesehen.
Die in diesem Beitrag eingefügten Handzettel wurden übrigens von Kindern und Jugendlichen ausgetragen, die dafür kostenlosen Eintritt für eine Vorstellung erhielten.
Max Peters, Enkel von Otto Peters
Autor:
Max Peters
09221 Neukirchen
Badergasse 8
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NACHTRAG von Lothar Drechsler
Vom 09.11.1954 bis zum 25.10.1974 war Frau Johanne Drechsler Leiterin des Kinos in Neukirchen. Jahrelange Mitarbeiter waren u.a. Frau Hilde Stark, Frau Erna Ludwig, Herr Richard Peters, Herr Eckert

Johanne Drechsler

Angestellte des Kinos
Vielseitig waren die Filme, Dokumentarfilme, Märchenfilme, historische Filme, Gegenwarts- und auch Lustspielfilme sowie Kriminal- und Abendteuerfilme.Überwiegend kamen sowetische und von der DEFA gedrehte Filme zu Einsatz. Aber auch Filme aus der BRD, Italien, Frankreich, Polen, CSR und anderen Ländern kamen zur Vorführung.
Einige Filmtitel, die in diesen Jahren gezeigt wurden:
- "Die steinerne Blume", 1946 UdSSR
- "Die Geschichte vom kleinen Muck", 1953 DDR
- "Peter der Erste", 1936 UdSSR
- "Fidelio", 1956 Österreich
- "Der brave Soldat Schwejk", 1956 CSR
- "Ernst Thälmann, Sohn seiner Klasse - Führer seiner Klasse", 1953-1955 DDR
- "Thomas Müntzer", 1956 DDR
- "Die letzte Etappe", 1948 Polen
- "Rat der Götter", 1950 DDR
- "Fanfan der Husar", 1951 Frankreich
- "Skanderberg - Ritter der Berge", 1953 UdSSR
- "Liliomfi", Ungarn 1955
- "Spur der Steine", DDR 1966
- "Moulin Rouge", 1953 England
- "Rom - 11 Uhr", 1952 Italien
- "Stalingrader Schlacht", 1949 UdSSR
- "Münchhausen", 1942/43 Deutschland
- "Rot und Schwarz", 1954 Frankreich
- "Rebellion der Gehenkten", 1954 Mexiko
- "Die Kinder von Hiroshimo", 1952 Japan
- "Meine Frau macht Musik", 1958 DDR
- "Das Spukschloß im Spessart", 1960 BRD
- "Sie tanzte nur einen Sommer", 1951 Schweden
um nur einige Filme zu nennen.
Dazu wurden "aktuelle Zeitgeschehen"; Dokumentarfilme, Werbespots, Trickfilme sowie kritische Kurzfilme (Stachelschwein) als Vorfilme gezeigt.
Zu besonderen Anlässen fanden auch Matinees statt. Die Organisation erfolgte gemeinsam mit Einrichtungen bzw. Betrieben, Parteien und Organisationen.
In den Sommermonaten war das "Freilichtkino" auch in Neukirchen. Standorte waren u.a. im "Naturgarten" Platz auf der ehemaligen Gaststätte Naturgarten, (die einstigen Keller des Gebäudes und die durch den Brand entstandenen Gruben wurden in Eigenleistungen mit Hilfe der Bürger verfüllt und eingeebnet) die Wiese im Freibad, der Vorplatz an der unteren Turnhalle.
Zu unterschiedlich waren die Meinungen der Bürger zu dieser Form der Veranstaltungen, sie entsprachen nicht den Erwartungen und wurden deshalb in dieser Art und Weise nicht fortgesetzt.
Zum Film "Spukschloß im Spessart" gab es 1961 eine Eingabe der Schule an den Rat der Gemeinde mit Durchschlag des Schreibens an das Kino.
72 Schüler hatten diesen lustigen Film im Alter von 8-14 Jahren gesehen.(Die Einstufung des Filmes war aus unerklärlichen Gründen auf 16 Jahre festgelegt worden). Im Schreiben wurde auf das schärfste protestiert und der Gemeinderat gebeten: "...in einer der nächsten Sitzungen bei der Behandlung von Volksbildungsfragen dieses ernste Problem im Beisein von Vertretern des Lichtspieltheaters, der Volkspolizei, der Lehrer - und Elternschaft eingehend zu beraten und möglichst bereits jetzt Maßnahmen zu beschließen, daß sich derartige Dinge nicht mehr wiederholen können..."
In den Nachkriegsjahren und in den 50er und 60er Jahren waren die Veranstaltungen oft ausverkauft, ja es gab teilweise Stehplätze und die Fensterbänke wurden als Sitzplätze - besonders von der Jugend mitgenutzt. Mit dem Aufkommen des "Fernsehen", der raschen Erweiterungen der Sendeleistungen, sowie der ständigen Erhöhung der Angebote an "Fernsehgeräten" gingen die Besucherzahlen im Kino
zurück. Auch der Umbau zu einem "Clubkino" - zu einem sogenannten gastronomischen Erlebniskino mit Tischen, Stühlen, Tischlampen; mit Speisen und Getränken (sie wurden im gegenüberliegenden "Konsum-Kaffee" - ehemals Kaffee Pietschmann eingekauft) mit völlig neuen und jungen Personal, konnte den Niedergang des Kinos nicht aufhalten. Wie bereits erwähnt wurde das Kino 2004 abgerissen. Im ehemaligen Kassenraum Chemnitzer Straße 6 befindet sich jetzt ein Reisebüro.
Lothar Drechsler, Sohn von Johanne Drechsler

Das kalte Herz, 1950 DDR
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